Literatur

Louisa May Alcott: Little Women oder ein kleiner Einblick in das Leben der amerikanischen Transzendentalisten

Liebe Lesende, ich möchte Euch auf einen kleinen Ausflug mitnehmen, auf einen Ausflug in die erste Hälfte des 19. Jahrhundert im amerikanischen Städtchen Concord in Massachusetts. Concord ist ein ländliches Städtchen, 20 Meilen westlich von Boston und der Universität Harvard gelegen, das heute 16.000 Einwohner hat. Der amerikanische Schriftsteller Henry James sagte später, Concord ist für die amerikanische Literaturgeschichte das, was Weimar für die deutsche ist.

Immer wieder zeigt sich, dass Ideen und Menschen in solchen clustern, dem Zusammenkommen und gegenseitigem Befruchten, geradezu optimale Bedingungen haben, sich zu entwickeln. Immer wieder gab es Orte und Perioden, in denen Menschen an einem Ort zusammen kamen, die unter dem Einfluss ihrer Zeit sich gegenseitig beeinflussten und so in kurzer Zeit und oft aufeinander bezogen, bedeutende Werke und neue Ideen entstanden, die lange Zeit nachwirken. Und so war es damals in Concord:

Concord gilt als die Wiege des amerikanischen Transzendentalismus, einer sowohl philosophischen als auch literarischen Bewegung, die in der Rezeption der Transzendentalphilosophie des deutschen Idealismus ihren Anfang nahm.

Eine lose Gruppe von ca. 30 Intellektuellen, Schriftstellern, Philosophen und Lebensreformern fand sich in und um Concord zusammen. Sie sahen sich als eine Gegenbewegung zu den herrschenden Ansichten der frühen USA ihrer Zeit und entwickelten eine neuidealistische Philosophie, die einerseits zu gesellschaftlichem Engagement in vielerlei Bereichen, andererseits zur Begründung einer eigenständigen amerikanischen Nationalliteratur führte.

Mich haben die amerikanischen Transzendentalisten aus eben diesem Grund  seit langem beeindruckt und fasziniert, diese Verbindung aus Literatur und praktischen Versuchen, die Welt und das eigene Leben  zu verändern. Diese Veränderungen bezogen sich auf Pädagogik, den Umgang mit der Natur, die Frauenbewegung und die Sklavenbefreiung.

Die zentrale Figur dieser Bewegung ist der Philosoph und Schriftsteller Ralph Waldo Emerson. Außerdem werden der Pädagoge Amos Bronson Alcott, die Schriftstellerin Louisa May Alcott, der Philosoph und Schriftsteller Henry David Thoreau, die Begründerin der amerikanischen Kindergärten Elizabeth Palmer Peabody, der Schriftsteller Nathaniel Hawthorne und die Frauenrechtlerin Margaret Fuller zum engeren Kreis der Transzendentalisten gezählt.

Der amerikanische Transzendentalismus ist eine sehr vielschichtige und komplexe Bewegung, deren unterschiedliche Protagonisten jeder für sich ein abendfüllendes Thema wären.  Es gibt aber einen  eingängigen Zugang zum Transzendentalismus, auf dem wir uns ihm nähern wollen: Louisa May Alcott führte ihr ereignisreiches Leben nicht nur inmitten dieses Kreises, sondern setzte ihm auch in ihrem Werk „Little Women“, dem bekanntesten amerikanischen Mädchenbuch, ein fiktionales Denkmal.

Louisa May Alcott kam 1832 als zweite der vier Töchter des Pädagogen Amos Bronson Alcott und seiner Frau Abigail in Philadelphia auf die Welt. Als sie sechs Jahr alt war, zog die Familie nach Boston und hier begann das, was Louisas Leben bestimmen sollte und was sie später auch in einer der Fortsetzungen von Little Women darstellen würde. Ihr Vater Amos Bronson Alcott gründete die Experimentalschule Temple School.  Temple School hieß sie, weil sie im Erdgeschoss der Bostoner Freimaurereloge angesiedelt war.

Amos Bronson Alcotts Unterrichtsmethode basierte auf Konversation. Er führte Gespräche mit seinen Schülern und ermutigte sie, ihre Meinung zu sagen. Dabei gab es keine Einschränkungen in den Themen, die er mit ihnen besprach.

Er war gegen körperliche Bestrafung. Wenn ein Schüler eine Regel übertrat, schlug nicht Alcott den Schüler, wie es an anderen Schulen dieser Zeit üblich war, sondern er bot dem Schüler seine Hand an, um ihn zu schlagen. Dies sollte einerseits ausdrücken, dass Regelverstöße von Schülern auf dem Versagen des Lehrers beruhten, andererseits hielt Alcott das schlechte Gewissen, dass beim Schüler über den Schmerz des Lehrers entstehen sollte, für ein wirksameres Erziehungsmittel als den Schmerz des Schülers, wenn er selbst geschlagen würde.

Die neue Schule begann mit 30 Schülern, die meisten unter zehn Jahre alte Söhne der besten Familien in Boston. Alcott beschäftige zwei Lehrerinnen, Elizabeth Peabody und später Margaret Fuller. Ihre Aufgabe war es, Latein und Mathematik zu unterrichten, vor allem aber, Alcotts Konversationen mit den Kindern wörtlich mitzuschreiben. Daraus entstand Peabodys Buch Record of a School, durch das Alcotts Gespräche mit den Kindern und deren Themen einem größeren Publikum bekannt wurden.  Er besprach Themen wie Geburt, Tod und Glauben mit den Kindern, oft ausgehend von philosophischen Schriften oder klassischer europäischer Literatur. Sein Ziel war, die Kinder zur eigenen Entwicklung anzuregen, nicht sie mit Hilfe von Drillmethoden in bestimmten Fertigkeiten zu trainieren.

Wie man sich vorstellen kann, wurde er für seine Methoden von vielen Seiten kritisiert. Das Anregen der Kinder zum Nachdenken über den Glauben wurde ihm als Blasphemie vorgehalten und die Eltern begannen, ihre Kinder aus der Temple School herauszunehmen. Als nur noch 11 Schüler übrig waren, nahm Alcott, der ein Gegner der Sklaverei war, ein schwarzes Kind in seine Schule auf, was zur Abmeldung der übrigen Schüler und der Schließung der Temple School im Jahr 1841 führte.

Alcott hielt allerdings an seinen Unterrichtsmethoden fest, wendete sie aber nun auf seine vier Töchter an. Das gescheiterte Experiment der Temple School endete mit Arbeitslosigkeit und Schulden, was sich während Louisas Leben immer wieder wiederholen sollte. Ebenso wiederholte sich, dass ihr Vater Hilfe von dem Mann erhielt, der auf ihn eben wegen seiner pädagogischen Ideen aufmerksam geworden war, Ralph Waldo Emerson.

Emerson war ein ehemaliger Pfarrer, der sich mit der unitarischen Kirche über die Frage der Kommunion überworfen hatte. Er hielt es nicht für im Sinne Christi, seiner mit einem immer gleichen Ritual allwöchentlich zu gedenken. Nachdem er deswegen 1832 den aktiven Pfarrdienst verlassen hatte, unternahm er eine Europareise, auf der er mit der Naturphilosophie des deutschen Idealismus in Kontakt kam. Zurück in Amerika, verfasst er 1836 seinen grundlegenden Essay „Natur“, der die Basis des amerikanischen Transzendentalismus bildete.

Er geht von der Grundidee aus, dass Gottes Wesen die Natur erfüllt und daher die Erkenntnis Gottes am besten durch das Studium der Natur erfolgen kann. Um die Natur zu verstehen, muss der Mensch ihre vollkommene Schönheit erkennen. Emerson stellt es als Problem dar, dass der Mensch durch die Anforderungen des täglichen Lebens von der Erkenntnis der Natur abgelenkt wird und sie eher nutzt als erkennt. Die Natur könne nur wirklich erkennen, wer sich von der Gesellschaft und der Interaktion unter den Menschen temporär abwende und die Einsamkeit suche. Einsamkeit in der Natur ist in Emersons Vorstellung der Weg der Erkenntnis.

Der Essay „Natur“ war sehr erfolgreich und wurde in weiten Kreisen Amerikas diskutiert. Dies führte zu einer Einladung an Emerson, einen Vortrag bei der  berühmten Phi Beta Kappa Gesellschaft in Cambridge zu halten. Der Titel des Vortrags war „Der Amerikanische Gelehrte“ und er wird als die intellektuelle Unabhängigkeitserklärung Amerikas betrachtet.

Ausgehend von seinen Gedanken aus  seinem Essay “Natur” definiert Emerson zwei Zustände, in denen sich der denkende Mensch befinden kann, entweder der beschäftigte oder abgelenkte Zustand, der dazu führt, dass der Mensch sich mit seinem Beruf und seinen monotonen Beschäftigungen identifiziert oder der andere, der richtige Zustand, in dem der Mensch erst zum Menschen an sich wird.

Um diesen höheren Geisteszustand zu erreichen, muss der moderne amerikanische Gelehrte sich von alten Ideen freimachen und selbst beginnen zu denken, nicht die Gedanken anderer zu wiederholen, sondern seiner Verpflichtung als amerikanischer Gelehrter nachzukommen, sein Verständnis der Welt frei von traditionellen (und damit wohl europäischen) Ideen frisch und neu zu entwickeln. Die Ausbildung dieses neuen Gelehrtentyps sieht Emerson in drei Erfahrungsbereichen:

  1. Die Natur als größten Einfluss auf die Gedanken
  2. Die Vergangenheit, wie sie sich in Büchern darstellt
  3. Aktives Handeln und die daraus resultierenden Ergebnisse

Dieser Vortrag machte Emerson weithin berühmt und führte dazu, dass er für den Rest seines Lebens immer wieder auf Vortragsreisen durch die USA ging und durch diese über 1500 Vorträge sehr prägend auf die amerikanische Gesellschaft wirkte.

In Concord sammelte Emerson Menschen um sich, die seine Ideen mit ihm im Transcendental Club genannten regelmäßigen Gesprächsrunden weiterentwickelten und sie in ihrem Leben in die Praxis umsetzten.

Daher interessierten  ihn Amos Bronson Alcott und seine vier Töchter, die in der Intention erzogen wurden, wie Alcott in der Temple School unterrichtet hatte. Die Mädchen sollten von klein auf selbst denken und sich durch das Aufwachsen in der Natur bilden.

Emerson bot Alcott an, nach dem Scheitern der Temple School mit ihm nach Concord zu gehen. Emerson übernahm die Miete für die Familie Alcott und zahlte die bestehenden Schulden. Er verschaffte der Familie ein Haus in seiner unmittelbaren Nachbarschaft, um sich jederzeit mit Vater Alcott über seine Ideen austauschen zu können und erlaubte den Töchtern unbegrenzten Zugang zu seiner umfangreichen Bibliothek.

Die Erziehung durch die Betrachtung der Natur, die Emerson so wichtig fand, übernahm ein junger Mann, dessen Eltern gegenüber Emersons Haus seit Generationen eine Bleistiftfabrik in Concord betrieben: Henry David Thoreau. Louisa liebte die langen Naturspaziergänge, die er mit ihr und den anderen Kindern der Transzendentalisten in Concord unternahm, um ihnen die Wunder der Natur weniger zu zeigen als sie sie selbst entdecken zu lassen.

Herny David Thoreau war ebenfalls Teil der Gruppe der Tranzendentalisten um Emerson. Er arbeitete teils als Lehrer, teils für die väterliche Bleistiftfabrik, für die er unter anderem eine Methode entwickelte wie man durch Zugabe von Lehm und Verwendung einer von ihm gebauten Mühle  aus minderwertigem amerikanischem Graphit Bleistiftminen machen konnte, die näher an die Qualität der Minen von Faber-Castell Bleistiften herankamen. Es gelang ihm zwar, die Thoreau-Pencil-Factory zur erfolgreichsten amerikanischen Bleistiftfabrik zu machen, aber nicht, sich gegenüber dem Export von Faber-Castell auf dem Markt durchzusetzen.

Emerson begann, gemeinsam mit seinen Freunden eine Zeitschrift herauszugeben, zu der Thoreau und Alcott Beiträge beisteuerten. Durch diese Schriften und ihre täglichen Gespräche entwickelten sie Emerons Ideen weiter und begannen sie auch ins praktische Leben umzusetzen.

1846 weigerte sich Thoreau, seine Steuern zu bezahlen,  weil der Staat damit seiner Ansicht nach Dinge finanzierte, die Thoreaus Überzeugungen widersprachen, wie Sklaverei und den Krieg geben Mexiko. Dafür kam er für eine Nacht ins Gefängnis, bis seine Tante gegen seinen Willen seine Steuern bezahlte. Diese Erfahrung prägte ihn sehr und war später die Grundlage seines Essays „Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat.

Thoreau war ein alleinstehender kinderloser Mann, als sich sein Ansichten nach und nach politisch radikalisierten, betrafen diejenigen Aktionen, die er umsetzte, nur ihn selber. Amos Bronson Alcott war verheiratet und vierfacher Vater, bei seinen Aktionen musste die Familie mit.

Alcott war inzwischen zu dem geworden, was man heute als radikalen Veganer bezeichnen würde. Er wollte diese Idee und die Vorstellungen Emersons über die Ausbildung eigenständiger amerikanischer Denker an seinen Töchtern umsetzen und gründete deshalb gemeinsam mit zwei anderen eine experimentelle Landkommune, genannt Fruitlands, die sich komplett selbst versorgen sollte. Die Familie musste gegen ihren Willen mit dorthin ziehen. Da der Vater es nicht nur ablehnte, tierische Produkte zu essen, sondern auch den Einsatz von Tieren in der Landwirtschaft als Ausbeutung ansah, sich selbst aber philosophischen Gesprächen mit Besuchern der Kommune widmete, wurde die Arbeit auf den Feldern Fruitlands, nach vom Vater aufgestellten (in heutigen Worten ausgedrückt) Grundsätzen des biologisch-dynamischen Anbaus, also per Hand von seiner Frau Abigail und den vier Töchtern geleistet. Da sie in Landwirtschaft ungeübt und die Felder Fruitlands billig gewesen waren, waren die Erträge sehr gering. Fruitlands bestand zwei Jahre bevor die Kommune sich untereinander zerstritt und Abigail Alcott zusammen mit ihren Töchtern die Kommune verlies und  nach Boston ging, wohin ihr Mann ihr kurz darauf folgte,  da es auf Fruitlands nichts mehr zu essen gab, da nun überhaupt niemand mehr auf den Feldern und im Garten arbeitete.

Nach dieser Erfahrung nahm Abigail das Verdienen des Lebensunterhalts für die Familie selbst in die Hand. Es gelang ihr, eine Anstellung als „Sister of Charity“ bei der Stadt Boston zu bekommen. Ihre Aufgaben entsprachen dem, was heute eine Sozialarbeiterin tun würde. Abigail setzte Bronsons philosophische Ideen in die Tat um. Wo er philosophische Reden über gleiche Rechte und selbstgesteuerte Bildung für Kinder und Erwachsene führte, ging sie in die armen Familien der Nachbarschaft und sorgte dafür, dass die Voraussetzungen für Bildung zunächst erstmal geschaffen wurden, dass Familien genug zu essen und Zugang zu  medizinischer Versorgung bekamen.

Sobald Louisa alt genug war, begann sie zum Lebensunterhalt beizutragen. Sie nähte für andere Leute, sie babysittete, sie unterrichtete, sie half im Haushalt. Aber es frustrierte sie, dass all dies ebenso wie die Arbeit ihrer Mutter nur sehr wenig Geld einbrachte. Ihre Eltern hatten sie von klein auf zum Tagebuch schreiben angehalten, sie besaß also Aufzeichnungen über alles, was die Familie und ihre Umgebung erlebt hatte. Da sie aber dachte, dass das niemanden interessieren und sich von daher nicht verkaufen würde, begann sie stattdessen, heimlich etwas ganz anderes zu schreiben: Es gelang ihr, Kontakt zu einem Verleger von  Groschenromanen in Boston aufzunehmen. Und so begann sie, reißerische Romane voller Sex und Abenteuer unter Pseudonym A.M. Barnard zu schreiben, die sich gut verkauften und endlich Geld in die Familienkasse brachten. Da der Kontakt zu dem Verleger sich nicht dauerhaft geheim halten lies, verfasste sie außerdem ein Kinderbuch mit dem Namen „Flower Fables“, das aus Geschichten bestand, die sie Emersons kleiner Tochter Ellen immer erzählt hatte, wenn sie auf sich aufgepasst hatte. Auch dieses Buch verkaufte sich respektabel, brachte aber weit weniger Geld ein als die wöchentlich in Fortsetzungen erscheinenden Sensationsromane.

Man muss bei all dem sehen, dass Louisa trotz seiner Unzulänglichkeiten ein sehr enges Verhältnis zu ihrem Vater hatte, ihn bewunderte und seine radikalen Ideen zwar teilte, aber eben auch die praktische Umsetzung dieser Ideen, wie sie sie bei ihrer Mutter erlebt hatte, um einordnen zu können, was dann geschah: 1868 erhielt Louisa den Auftrag von ihrem Verleger, ein Buch für junge Mädchen zu schreiben, was die breiten Schichten ansprechen sollte. Sie war erst skeptisch und wandte ein, dass sie nur wenig von Mädchen verstünde, eigentlich nur ihre Schwestern und Ellen Emerson gut kenne, die alle ein eher ungewöhnliches Leben ob der Umgebung, in der sie aufwuchsen, geführt hätten, aber der Verleger ließ nicht locker. Also griff Louisa auf das Material zurück, das sie hatte, ihre Tagebücher. „Little Women“ ist die Geschichte einer Familie mit vier Töchtern, die zeitälteste, Jo, aus deren Perspektive erzählt wird, ist nach Louisas Aussage ein Selbstporträt. Die Eltern sind idealisierte Darstellungen von Louisas Eltern, die die Mädchen nach den pädagogischen Ideen Amos Bronson Alcotts erziehen. Little Women wurde ein sofortiger Bestseller, der Verleger fragte nach Fortsetzungen. Louisa ging den eingeschlagenen Weg weiter, in den weiteren Bänden gründet die erwachsen gewordene Jo eine Schule, die der Temple School nachempfunden ist. Es tauchen weitere Porträts der Transzendentalisten auf: der Nachbarsjunge  Laurie ist ein Porträt Henry David Thoreaus, Professor Bhaer, Jos späterer Ehemann stellt Emerson selbst dar, sogar einige Zitate von ihm tauchen in den Büchern auf.

Auch die weiteren Bände verkauften sich mit gleichem und stetig steigendem Erfolg. Die Geldsorgen der Familie Alcott hatten damit endgültig ihr Ende gefunden. Aber auch die kleine Welt der Transzendentalisten in Concord, wohin Louisa mit ihren Eltern zurückzog, wurde durch Louisas Mädchenbücher  weit bekannter, als es den Philosophen durch ihre eigenen Bücher und Vorträge gelungen war. Die Vorträge fanden nach dem Erfolg von Little Women weiteres Publikum. Amos Bronson Alcott wurde nun, 25 Jahre nach dem Ende der Temple School zu einem gefragten Redner, der als „Vater der Little Women“ überall zu Vorträgen eingeladen wurde und seine und Emersons Ideen vortrug.

Mich hat Louisas durch die von Philosophie und neuen Ideen geprägte Umgebung, in der sie aufwuchs und lebte, seit langem fasziniert. Ihre Mädchenbücher, nach Little Women war sie auf das Genre abonniert, lernte ich kennen, als ich mit ungefähr 10 Jahren eines davon zum Geburtstag geschenkt bekam. Erst viel später, als in den 90er Jahren ihre Tagebücher und Briefe entdeckt wurden und man dadurch auf die Spur kam, dass es neben den Mädchenbüchern noch ihre Sensationsromane gab und diese Entdeckung durch die Medien ging, begann ich mich für ihr Leben zu interessieren und die amerikanischen Transzendentalisten zu entdecken, deren Umsetzung des deutschen Idealismus ins praktisch erlebbare und deren Übersetzung in ein Verständnis, dass die Entwicklung des amerikanischen Selbstverständnis als Nation beeinflusst hat, mein Verständnis auch der deutschen Philosophen bereichert und verändert hat.

Little Women ist bis heute ein vielgelesenes Buch in den USA, in den letzten Jahren wieder, nachdem es 1994 zum vierten Mal verfilmt worden ist. Der Film erhielt drei Oskars und lief in Deutschland unter dem Titel „Betty und ihre Schwestern“.  Auch das Buch erschien daraufhin neu in Deutschland. Es hatte immer wieder Übersetzungen von Louisa May Alcotts Büchern in Deutsche gegeben, sie wurde hier aber vor dem Film nie populär, die Übersetzungen waren immer nicht lange lieferbar.

Natürlich muss man beim heutigen Lesen von Little Women beachten, dass das Buch 1868 geschrieben wurde und dass das, was damals als revolutionär galt, heute längst als normal oder überholt gilt. Wenn man die Rezeptionsgeschichte vom Little Women über die Jahrzehnte betrachtet, findet man alle Einschätzungen, von „altbackener Backfischroman“ bis zu „progressive mutmachende Darstellung des frühen Feminismus“.

Seit 2007 in den USA das Buch „The Mother-Daughter-Book-Club“ von Heather Vogel Frederick  erschien, in dem eine Gruppe Mädchen und ihre Mütter im Concord heutiger Zeit Little Women gemeinsam lesen, kam Louisas May Alcotts mittlerweile fast 150 Jahre alter Roman und damit auch die Transzendentalisten Concords zu neuer Popularität.

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